Der Beitrag deutscher Exilanten für den Aufbau der modernen Türkei

Konferenz mit dem Abraham Geiger Kolleg
Datum: 02.12.2008, 19.00 Uhr

Referenten:
Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär, MdB
Oktay Yaman, Politologe und Journalist, Zaman International Newspaper
Rabbiner Prof. Dr. Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kolleg
Selcan Sanli, Türkisches Generalkonsulat Berlin
Moderation: Ercan Karakoyun, Vorsitzender FID BERLIN e.V.

Thema: 75 Jahre deutsche Exilanten in der Türkei
Ort: Ernst-Reuter Haus, Straße des 17. Juni, 10623 Berlin, Saal B

Wer an die Türkei denkt, dem fallen zunächst Schlagwörter wie Gastarbeiter, EU-Mitgliedschaft oder Nato-Bündnispartner ein, nicht ganz ohne eine gewisse Überheblichkeit. Selten gehen die ersten Assoziationen aber soweit, dass die damals benötigten Gastarbeiter längst keine mehr sind, sondern integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir möchten mit diesem Vortragsabend den Blick auf ein Kapitel der Geschichte lenken, der allzuoft von Deutschland vergessen scheint.
1000 deutschsprachige Wissenschaftler, Architekten, Techniker, Künstler und einige Handwerker samt ihrer Familien flohen nach der Machtergreifung in die damals noch junge türkische Republik. Anders als in allen anderen Zufluchtsländern waren die Emigranten in Istanbul und Ankara in der Lage, sofort wieder der Arbeit nachzugehen, die sie in Deutschland aufgegeben hatten. Die Regierung hat sich gegen den Druck der Nazis gestemmt, die Emigranten auszuweisen. Viele von ihnen blieben auch nach dem Krieg, manche nahmen sogar die türkische Staatsbürgerschaft an.
Besonders die Hochschule in Istanbul, lässt sich ohne das deutschsprachige Exil nicht denken. An fast allen Instituten übernahmen Emigranten die Forschung. Der Frankfurter Jurist und spätere Mitbegründer der Berliner Freien Universität, Ernst Hirsch, etwa baute das Institut für Rechtswissenschaft auf und gab der Türkei ihr Handelsrecht. Siegfried Oberndorfer gründete den Lehrstuhl für Pathologie. Der Kinderarzt Albert Eckstein betätigte sich nicht nur in der Forschung, sondern entwickelte für die Regierung auch eine flächendeckende Gesundheitsversorgung. Mit ihrer Hilfe gelang es, die Kindersterblichkeit von über zwanzig auf zwölf Prozent zu senken.
Für die Musik- und Theaterkultur ähnlich bedeutend wirkten der Max-Reinhardt-Schüler Carl Ebert, die Komponisten Paul Hindemith und Eduard Zuckmayer sowie der Dirigent Ernst Praetorius. Die Architekten Bruno Taut und Clemens Holzmeister erarbeiteten nicht nur die Lehrpläne für die kommenden Studentengenerationen, sondern planten auch zahlreiche Staats- und Regierungsbauten.
All diese exemplarisch aufgeführten Namen mit ihren individuellen Biographien zeigen deutlich, welche intellektuelle Größen und Persönlichkeiten meist in der Diskussion um die deutsch-türkischen Beziehungen vernachlässigt werden.
Es ist uns eine Freude als Ehrengast und Redner Herrn Thomas Kossendey (MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe) begrüßen zu dürfen.
Gemeinsam mit dem Abraham Geiger Kolleg möchten wie Sie recht herzlich dazu einladen, über diesen Aspekt der deutsch-türkischen Geschichte nachzudenken und zu diskutieren

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